18. März 2013

Leitfaden für die Reise durch das Land des Nicht-Wissens

Mythen beschreiben allgemein gültige Zusammenhänge in symbolischer Form. Der Mythos von Inannas Reise in die Unterwelt kann uns dienen, intuitiv ein Verständnis für unsere Ausflüge ins Land des Nicht-Wissens zu bekommen. In einem ca. 11 Minuten langen Video erzählt Chameli Ardagh diesen Mythos (mit deutscher Übersetzung). Chameli betont, dass es darum geht, dass wir jedes Mal bei einem Abstieg in die Unterwelt einen Teil unserer Identität verlieren, der nicht mehr zeitgemäß ist. In solchen Transformationsphasen entwachsen wir also unseren zu klein gewordenen Kleidern und wachsen jedes Mal mehr in das hinein, was wir eigentlich sind. Nach dieser Veränderung tauchen wir wieder auf in der Oberwelt, mit neuer Kraft, mit neuer Klarheit, mit neuer innerer Weisheit. Die Krise wird zur Chance...

Jede einzelne Reise in das Land des Nicht-Wissens ist individuell und einzigartig. Daher gibt es keinen allgemein gültigen Reiseführer durch die Unterwelt. Aus der Erfahrung heraus lassen sich allerdings zehn Punkt in einer Art Leitfaden festhalten, der die Reise durchaus erleichtert:

1. Freiwillig mitgehen

(C) Uli Feichtinger, 2009
Wenn ich merke, dass sich wieder eine Transformationsphase anbahnt, gehe ich – soweit es nur geht – aus dem Widerstand. Ich kann mich dieser Veränderung ohnhin nicht entziehen. Also gehe ich lieber freiwillig mit als mich nachschleifen zu lassen. In meinem Vortrag "Spirituelle Grundgesetze"gehe ich auf dieses Widerstand-Aufgeben unter dem Titel ALOHA ganz speziell ein, weil es ein zentrales Thema ist – daher steht es auch in meiner Aufzählung an erster Stelle.

Ich habe für mich die Bezeichnung Lehrgang gewählt: "OK, der nächste Lehrgang hat begonnen." Dadurch mache ich mir zwei Dinge deutlich:
  1. Es geht darum, etwas zu lernen. So habe ich von Anfang an den Fokus darauf, um welchen Bereich von Wachstum und Transformation es diesmal gehen könnte.
  2. Es handelt sich um eine Phase, die auch wieder vorüber geht. Dieser Lehrgang hat auch wieder ein Ende.

Zu dieser Sicht des Lehrganges hat mich unter anderem das Buch "Mutige Seelen" gebracht, denn es stellt die Erfahrungen unseres Lebens in einen viel größeren Kontext.

2. Mit sich selbst liebevoll sein

Gerade im Land des Nicht-Wissens, gerade in Zeiten von Krise und Transformation ist es besonders wichtig, mit sich selbst liebevoll und achtsam umzugehen. Für unsere inneren Prozesse stellen wir Energie zur Verfügung, daher sind wir in solchen Phasen nicht so leistungsfähig wie sonst. Wir sind aufgefordert, dies anzuerkennen, uns Auszeiten zum Auftanken zu nehmen und uns keine Vorwürfe zu machen (dass das alles schneller gehen sollte, dass wir noch immer nicht damit klar kommen, dass ...). Wenn wir uns vorstellen, wie achtsam wir mit Menschen in "schwierigen Lebensphasen" umgehen (z.B. nach dem Tod eines Angehörigen), dann haben wir eine Ahnung bekommen, wie liebevoll wir mit uns selbst in Transformationszeiten umgehen sollten.

Gerade in Zeiten, wo wir uns unrund, nicht in unserer Mitte, aus dem Gleichgewicht geraten fühlen, gerade da ist es sinnvoll, bewusst wahrzunehmen, wovon wir zu viel im Leben haben und was es auf der anderen Waagschale braucht, um wieder in Balance zu kommen. Mein Modul "Frau-Sein in Balance" des Jahreszyklus Ganz.Frau.Sein von akasha beschäftigt sich genau mit diesem Thema.

3. Im eigenen Prozess bleiben

Wenn wir uns nicht wohl fühlen, wenn wir uns unrund fühlen, wenn Sand im Getriebe ist, fühlen wir uns verleitet, im Außen nach Gründen zu suchen bzw. unser inneres Unwohlsein durch Aggression im Außen abzureagieren. Zu unserem eigenen Wohl und zum Wohle unserer Mitmenschen ist es toll, wenn wir es schaffen, immer wieder in den eigenen inneren Prozess zurückzukehren und unsere inneren Turbulenzen so wenig als möglich auf andere zu projizieren. Es bringt nichts, im Außen "herumzufuhrwerken" (außer mehr Ärger und Turbulenzen) – unsere Energie ist im inneren Prozess viel wertvoller eingesetzt!

4. Synchronizitäten wahrnehmen

(C) Uli Feichtinger, 2011
C. G. Jung hat das Wort Synchronizitäten geprägt, gemeint sind damit die "berühmten Zufälle". Wenn Dinge "ganz zufälligerweise" genau dann passieren, wenn sie notwendig sind oder gebraucht werden. Beispiel: Am Beginn einer solchen Transformationszeit, eines solchen Lehrganges war mir noch nicht klar, worum es diesmal gehen sollte. Doch dann sprach jemand im Coaching über Machtkämpfe, in einem Vortrag ging es darum, wie Menschen Macht ausüben (oft ganz unbewusst und scheinbar machtlos) – durch diese gehäuften Synchronizitäten wurde mir klar: Ja, stimmt, darum geht es gerade. Es geht für mich gerade darum, aus unbewussten Machtkämpfen bewusst auszusteigen.

Im Berufungscoaching kommen solche "Zufälle" oft vor. Während wir durch unseren Prozess gehen, schickt das Leben uns Bücher, Filme, Menschen, Vorträge, Videos, Ereignisse, Möglichkeiten, die uns einen großen Schritt weiter bringen in unserer spirituellen Entwicklung. Wenn wir uns bewusst für einen solchen Lehrgang entscheiden, unterstützt uns das Leben / das Universum / die Göttin / Gott / das Bewusstsein mit Synchronizitäten. Unsere Aufgabe ist es, achtsam genug zu sein, um diese Synchronizitäten wahrzunehmen und einordnen zu können.

Wenn wir also das Gefühl haben, dass irgendetwas gar nicht so zufällig während unseres Aufenthaltes im Land des Nicht-Wissens passiert, können wir uns fragen:
  • Wie passt das zu meinem aktuellen Prozess?
  • Was will mir dieser "Zufall", diese Synchronizität sagen?
  • Wie passen die einzelnen Puzzle-Steine zusammen?

5. Den Körper miteinbeziehen

Zu solchen "Zufällen" gehören auch Körpersymptome. Wenn wir uns als spirituelle Wesen verstehen, die diese Inkarnation in einem Körper verbringen, dann sind körperliche Symptome mehr als Zufälle, sind vielmehr Botschaften unserer Seele. Um diese Botschaften erkennen zu können, ist es notwendig, dass wir mit unserem Körper in Kontakt sind, dass wir "uns spüren", dass wir regelmäßig die Körperlandschaft erkunden. Ich habe in den letzten 1,5 Jahren sehr gute Erfahrungen mit meditativem Yoga bei Barbara Schmitzberger gemacht. Doch ich bin sicher, dass jede Körperarbeit mit Achtsamkeitsübungen ebenso dafür geeignet ist, den eigenen Körper bewusster wahrzunehmen, kennen zu lernen, verstehen zu lernen.

Manche Menschen meditieren über ihre Körpersymptome, um deren Botschaft zu verstehen. Eva Ulmer-Janes hat in ihren Gesundheitsworkshops immer wieder die Frage gestellt: "Woran hindert dich das Symptom? Wozu zwingt dich das Symptom?" Die Antworten sind meistens sehr aufschlussreich! :) Zusätzlich verwende ich gerne folgende drei Bücher, um die Bedeutung körperlicher Symptome zu verstehen:

So können beispielsweise Augenentzündungen darauf hinweisen, dass wir noch nicht wirklich hinschauen wollen – auf das aktuelle Thema, auf den Schattenaspekt, der sich uns zeigen möchte, auf die Herausforderung. Durchfälle können uns auf unsere Ängste hinweisen, Verstopfung hingegen auf Bereiche, wo wir uns noch zurückhalten. Aussagen des Volksmundes sind oft sehr aussagekräftig...

6. Aus dem Drama aussteigen

Dies ist einer der wichtigsten Aspekte überhaupt. Oh, wieviel Zeit und Energie verlieren wir durch das Drama, das wir aus vielem machen. "Oh, was mir heute Schreckliches passiert ist!" – "Oh, es macht mich ja soooooo wütend, dass ...." – "Ach, es ist ja soooo schlimm, dass ..."

Sobald wir es schaffen, "eine Etage höher zu steigen", unser Leben aus der Beobachtungsposition zu betrachten, die Seelenebene (vgl. "Mutige Seelen") miteinzubeziehen, beenden wir das Drama. Es geht nicht darum, die Vorkommnisse des Lebens und deren Auswirkungen zu leugnen, ganz im Gegenteil. Doch wir machen uns selbst einen großen Gefallen, wenn wir unsere Zeit und Energie nicht mit Drama-Inszenierung vergeuden, sondern uns auf den Kern der Botschaft des Ereignisses konzentrieren.


7. In der Zuversicht bleiben

(C) Uli Feichtigner, 2013
Das ist eine der schwierigsten Herausforderungen, ich weiß! Zuversicht bzw. Vertrauen kann man nicht einfach im Supermarkt kaufen. Vertrauen hat jedoch mit bewusst gelenkter Energie zu tun, und das können wir alle lernen und üben. Es ist (zu einem großen Teil) unsere Entscheidung, ob wir Energie in den Zweifel investieren bzw. in die Frage "Warum gerade ich?" – oder ob wir die Energie auf eine Überzeugung lenken, die uns auf der Reise durch das Land des Nicht-Wissens unterstützt: "Ich weiß zwar gerade nicht, wofür das alles gut sein soll und was ich da lernen soll. Doch ich vertraue darauf, dass alles seinen Sinn hat und dass es das Leben gut mit mir meint." Zuversicht!


Wenn wir aus dem Vertrauen herausfallen, dann ist es gut,
  1. liebevoll mit sich selbst zu sein,
  2. sich selbst zu verzeihen – und
  3. bewusst wieder ins Vertrauen hinein zu gehen: Die Frage "Wohin will ich meine Energie WIRKLICH lenken?" kann dabei sehr gute Dienste leisten.

8. Aufrichtig sein

Wie oft machen wir uns etwas vor? "Das Thema Machtkämpfe hat nichts mit mir zu tun, ich hab da kein Thema damit." Auch das Verleugnen unserer Schattenseiten braucht viel Energie. Meine Metapher ist dafür ein Druckkochtopf. Dauernd bedacht zu sein, dass ja nichts aus diesem Kochtopf herauskommt und sichtbar wird, ist sehr Energie-aufwändig. Den Deckel zu öffnen und den Dampf aus dem Topf zu lassen, ist die Energie-schonendere Alternative.

Den Deckel zu öffnen, das ist gleichbedeutend damit, aufrichtig zu sein. "Ja, es stimmt, dass ich ..." Probiere es einmal aus! Entweder du schreibst es für dich selbst auf (schwarz-auf-weiß hat noch immer eine besonders gute Wirkung) oder du suchst dir eine vertrauensvolle Zeugin / einen vertrauensvollen Zeugen. Du kannst zum Beispiel während des nächsten Fressanfalles deiner Freundin ein SMS schreiben: "Ich habe gerade wieder einen Fressanfall." Oder aus der Umkleidekabine bei deinen Frustkäufen. Oder du schreibst deinem Freund ein Email: "Ich bin schon wieder eifersüchtig auf meine Frau, weil sie alleine ausgeht." Natürlich sollten dies Menschen sein, denen du wirklich 100%ig vertraust.

Vielleicht merkst du schon jetzt beim Lesen die Erleichterung, die sich breit macht, wenn die dunkle Seite endlich nicht mehr geleugnet wird, sondern gesehen werden darf!? Falls sich bei oder nach der Aufrichtigkeitsübung Schulgefühle einstellen:
  1. Gehe zu Punkt "mit sich selbst liebevoll sein".
  2. Verzeihe dir selbst. Nimm die "Moral aus der Geschichte" mit und gehe deinen Weg weiter.

9. Sich mit anderen austauschen

Es tut einfach gut, Gleichgesinnte zu haben, mit denen man sich austauschen kann – über die Herausforderungen des aktuellen inneren Prozesses, über mögliche Zusammenhänge, über mögliche Ursachen, über mögliche Unterstützung, über mögliche Entwicklungen, über mögliche Fortschritte. Dieser Austausch geht meist über konkrete Ansätze für den eigenen Prozess hinaus: Wenn wir erkennen, dass andere Menschen ähnliche Themen bearbeiten (wenn auch mit anderen konkreten Ausprägungen in deren Leben), beginnen wir eine Ahnung zu haben, was es bedeuten könnte, dass gerade kollektive Themen aktiv sind und sich auf das individuelle Leben von einzelnen Menschen auswirkt.

Im Austausch mit anderen kommen oft auch Erklärungsversuche für die aktuellen Vorkommnisse zur Sprache, die als brain food, als Hirnnahrung, als Beruhigung für den Verstand hervorragende Dienste leisten. Oft sind in diesen Erklärungen auch hilfreiche Hinweise auf den eigenen Prozess (siehe Synchronizitäten) enthalten.

"You don't have to do it alone." Das ist ein zentraler Satz von Chameli Ardagh. Natürlich gehst du durch deinen Prozess selbst durch, das kann niemand für dich übernehmen. Doch du kannst dir Menschen suchen, die am Eingang in die Unterwelt auf dich warten – denke an Inanna, die ihre Priesterin am Eingang in die Unterwelt postiert. Solche Zeuginnen und Zeugen unserer Prozesse sind von großer Bedeutung, denn wir wissen, dass jemand auf uns am Ausgang der Unterwelt wartet und unsere erfolgreiche Rückkehr mit uns feiern wird.

Solche Zeuginnen und Zeugen können sehr nahestehende Menschen sein, es können Gleichgesinnte (z.B. einer spirituellen Gruppierung) sein, es können Coaches und TherapeutInnen der verschiedensten Richtungen sein. You don't have to do it alone!

10. Die Ernte des Lehrganges einfahren

(C) Uli Feichtinger, 2011
Dieser Schritt wird sehr oft ausgelassen – da spreche ich aus eigener Erfahrung! :) In meinem persönlichen Erleben ist ein solcher Lehrgang abgeschlossen, wenn plötzlich alle Teilchen zu einem Mosaikbild werden, wenn ein Stein zum anderen passt, wenn es plötzlich vollkommen klar ist, worum es geht, was zu tun ist, was die Zusammenhänge sind, wie eins zum anderen passt, was die Synchronizitäten bedeutet haben, welchen Sinn das alles macht und was "die Lehre" des Lehrganges ist. Ich genieße diese Phase, wenn die Synapsen im Gehirn britzeln und bratzeln (so nenne ich das für mich! :) ), wenn eine Erkenntnis auf die nächste folgt und wenn alles plötzlich Sinn ergibt. Anfangs dachte ich, dass ich mir diese genialen Erkenntnisse ohnehin merken würde, doch inzwischen bin ich dazu übergegangen, die Ernte schriftlich festzuhalten. Dieses zu-Papier-Bringen hat den Vorteil, dass ich die Erkenntnisse klar formuliere und somit in mir festige. Und es ist ein Zeichen der Wertschätzung für mich und meinen inneren Prozess – eine Würdigung.

6 Kommentare:

Sabine hat gesagt…

Liebe Uli,
ich möchte mich erstmal für deine wunderbaren weripower-Breife bedanken!!!
Es ist nicht selbstverständlich,
und die ganze Arbeit und Zeit was dahintersteckt - DANKE.
Mit dem heutigen Brief hast du totoal ins Schwarze getroffen,
ich weis nicht wie das machst,
aber ich finden den Brief absolut gelungen.
Nun kann ich meine Gefühle zuordnen!
Danke liebe Uli!!!!

yogini108 hat gesagt…

liebe uli,

vielen dank für diesen beitrag! viele der herangehensweisen, die du beschreibst, haben sich auch für mich schon als sehr hilfreich erwiesen - und mit jedem "abstieg" wird es ein wenig leichter, aus dem widerstand auszusteigen und sich hinzugeben...ganz freiwillig ;-) weil man ja schon weiß, dass man am ende "gehäutet" wieder im leben stehen wird, d.h. wieder eine schicht losgeworden ist, und das eigene wesen ist wieder ein stückchen mehr zum vorschein gekommen. und strahlt.
deine 10 punkte finde ich sehr gelungen! tut gut, sie so strukturiert und weise formuliert vor mir zu haben ;-)
alles liebe
kirsten

Anonym hat gesagt…

Danke für deine Worte, ein wunderschönes Osterfest euch allen, glg von Juliane!

Uli Feichtinger hat gesagt…

Liebe Sabine! Danke für Dein Feedback - wie ich mich freue, dass meine Texte hilfreich sein können! :) :) Alles Liebe für Dich auf allen Deinen Wegen! :) Uli

Uli Feichtinger hat gesagt…

Liebe Kirsten! Danke für Dein Feedback - noch dazu aus Deiner "Feder"! :) :) So schön zu wissen, dass wir gemeinsam am Weg unterwegs sind! Dance on, sister! :) :) Alles Liebe, Uli

Uli Feichtinger hat gesagt…

Liebe Juliane! Danke für Dein Feedback und Deine Wünsche! Ich wünsche Dir und uns allen einen sonnigen Frühling! :) Herzlich, Uli