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(C) Uli Feichtinger, 2012 Detail einer Tempelmitte |
Ich habe bisher nur gute Erfahrungen mit dieser
Zusammenstellung von Spielregeln des Miteinander gemacht. Daher gehe ich gerne im
folgenden bei jedem Satz des Manifests näher auf die Bedeutung ein:
Ich verspreche,
offen und ehrlich mit dir zu sein. Das bedeutet, dass ich mich bemühe,
kongruente Aussagen zu treffen. Ein Beispiel für nicht-kongruente Aussagen:
Verbal: "Es ist eh alles in Ordnung."
Stimme und Körpersprache sagen jedoch genau das
Gegenteil.
Ich muss mich nicht zurückhalten und meine Meinung
"hinunterschlucken" aus Angst, aus der Gruppe ausgestossen zu werden.
In der ehrlichen und offenen Kommunikation achte ich darauf, die andere Person
zu ehren und zu schätzen. Ich wahre ihre Grenzen und respektiere ihre Gefühle.
Ich verpflichte
mich, für mich selbst Verantwortung zu übernehmen. Damit verspreche ich
auch, dass ich nicht unausgesprochen erwarte, dass die anderen ja merken
müssen, dass es mir nicht gut geht. Ich übernehme die Verantwortung für mich
selbst und kommuniziere meine Bedürfnisse – sei es, dass ich Unterstützung brauche,
sei es dass ich eine Auszeit brauche, sei es, dass ich ganz etwas anderes
brauche.
Ich werde um
Unterstützung bitten, wenn ich sie brauche. Wenn immer ich Unterstützung
brauche, sage ich Bescheid, sei es bei den anderen Gruppenmitgliedern, bei der
Assistentin oder der Gruppenleiterin. Ich bin es mir wert, dass ich mir Hilfe
hole, wenn ich sie brauche. Gleichzeitig schützt mich diese Aussage auch vor
"vorauseilendem Gehorsam" der anderen: Die anderen brauchen mich
nicht mit Hilfe, Ratschlägen, etc. überhäufen, denn sie können darauf
vertrauen, dass ich um Unterstützung bitte, wenn ich sie brauche.
Ich werde um
Zeit für mich alleine bitten, wenn ich sie brauche, und das hat nichts mit dir
persönlich zu tun. Wir alle brauchen manchmal oder öfter Zeit für uns
alleine, Zeit für Rückzug. Wenn ich merke, dass mir der Kontakt zu anderen im
Moment nicht gut tut, nehme ich mir Zeit für mich alleine – mit Abstand zu den
anderen. Das ist keine Beleidigung für die anderen, das ist keine
Machtdemonstration oder kein Schmollen. Ich übernehme Verantwortung für mein
Bedürfnis nach Abstand und Ruhe.
Ich werde nicht
versuchen, dich zu retten. Gerade in der spirituellen Szene sind "gute
Ratschläge" schnell bei der Hand. "Du musst nur das Spiegelgesetz
anwenden – was will dir das sagen?" – "Du musst nur deine
Glaubenssätze auflösen." – "Du musst einfach mehr daran glauben,
irgendwas in dir spießt sich noch gegen deinen Erfolg." Solche Aussagen
mögen zwar richtig sein, sind jedoch Übergriffe gegen die andere Person bzw. Grenzüberschreitungen,
wenn sie nicht explizit um Feedback gefragt hat. Jedes Wesen ist Ausdruck des
göttlichen Bewusstseins und in diesem Sinne will sich das Göttliche gerade
jetzt GENAU SO durch dieses Wesen ausdrücken und ver-körper-n.
Ich werde dir
zuhören ... und nicht schon meine Antwort überlegen, während du noch
sprichst. Wenn ich dir zuhöre, halte ich den Raum für dich, damit du dich und
dein Innenleben erkunden kannst. Ob ich das, was du erzählst, verstehe oder
nicht, spielt keine Rolle. Als Zuhörerin bin ich diejenige, die für dich den
Raum hält.
Ich werde das,
was du mir erzählst, vertraulich behandeln und es nicht weitererzählen. Wie
oft habe ich das nicht schon erlebt, dass ich jemandem etwas anvertraut habe,
was dann weitergetragen wurde. Wenn wir Vertrauen in der Gruppe leben wollen,
müssen wir uns verlassen können, dass das, was wir von uns preisgeben, auch
wirklich innerhalb der Gruppe bleibt. Vertraulichkeit ist wirklich zentral
wichtig. Ich halte mich daran und trage keine Geschichten nach außen.
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(C) Uli Feichtinger, 2013 Detail eines Tempelabends |
Ich feiere deine
einzigartige Schönheit und deine Gaben. Im Alltag sind viele Menschen auf
Fehler und Schwächen konzentriert. Spätestens im Schulsystem werden wir auf
unsere Fehler und Schwächen hingewiesen – und oft genug darauf reduziert. Ich
verspreche, mich in der Praxis zu üben, in den anderen Menschen die
einzigartige Schönheit wahrzunehmen und die einzigartigen Gaben jeder einzelnen
Person zu ehren.
Ich werde mich
selbst nicht zurückhalten, um dazuzugehören, und ich werde dich darin
bestärken, das Gleiche zu tun. In Gruppen ist es oft
"gefährlich", den Kopf aus der Menge herauszustrecken und für die
eigenen Wahrheit einzustehen. "Schau, sie will besser sein als wir!"
– solche Aussagen (bzw. die Angst davor) bewirken nur, dass wir uns gegenseitig
klein halten. Wenn ich die einzigartige Schönheit und die einzigartigen Gaben der
anderen feiere, dann freue ich mich daran, dass die andere Person sich in ihrer
Größe zeigt. So erlaube ich auch mir selbst, mich in meiner Größe zu zeigen.
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